Neururer redet Tacheles: “Klassenerhalt mit dieser Punktzahl eine Schande”
Veröffentlicht am 22. Mai 2024
Bild: Peter Neururer sieht mittlerweile zwei oder gar drei Klassen in der Bundesliga. (© Wettfreunde)
Peter Neururers Kolumne zu Bundesliga und Relegation
Der 34. Spieltag ist gespielt und es ist an der Zeit, ein Fazit zu fällen, über diese in vielen Dingen ungewöhnliche Saison.
Angefangen beim Deutschen Meister Leverkusen und dem Vize aus Stuttgart, bis zum Europapokalplatz für Heidenheim. Und natürlich der spannende Abstiegskampf, der jetzt in den Spielen zur Relegation gipfelt.
Für Peter Neururer war es beinahe eine Schande, wie wenig Punkte für den Klassenerhalt reichten. Der 68-Jährige sah eine Zweiklassengesellschaft, weil die halbe Liga um Europapokalplätze, die andere Hälfte um den Abstieg spielte.
Neururer über Abstiegskampf: “Diese Drehbücher kann man nicht erfinden”
Liebe Wettfreunde,
die Saison 2023/24 ist beendet. Gut, was oben passierte, nicht gerade die große Überraschung, es hat sich dahin entwickelt. Aber bis zum letzten Spieltag, der Abstiegskampf um die Relegationsplätze.
Unglaubliche Geschichten. Die Drehbücher, die kann man normalerweise gar nicht schreiben, die kann man nicht erfinden. Das ist nur im Fußball möglich.
Was Union Berlin da veranstaltet hat am letzten Spieltag, gegen einen Aspiranten, der da immerhin um die internationalen Plätze kämpfte, gegen Freiburg. Es war schier unglaublich.
Eigentlich schon abgestiegen, dann wiederum ein Elfmeter in der Nachspielzeit. Die Nachspielzeit sah so aus: Elfmeter, ja, nein.
Volland nimmt Anlauf, trifft den Ball rechts unten, der Ball wird abgefälscht gegen den Pfosten, Volland will an den Ball kommen, Jubel bereits beim VfL Bochum, aber der Nachschuss durch einen Ex-Freiburger, noch schlimmer, einen Ex-Bochumer, Haberer macht den rein.
Union Berlin in der Nachspielzeit sichert die Klasse. Mit dieser Punktzahl ist es eigentlich fast schon eine Schande. Aber wenn man überlegt, was während der ganzen Saison passiert ist, hat Union es zweifelsfrei verdient.
Neururer über Bochum: “Sind noch nicht abgestiegen”
Der VfL Bochum ist mit einem wahnsinnigen Aufwand nach Bremen gefahren, hat aber in Bremen leider nicht stattgefunden.
Die Möglichkeit, aus eigener Kraft die Liga zu halten, indem man nur unentschieden spielt, ist nicht wahrgenommen worden. Ganz im Gegenteil. Das Torverhältnis ist komplett versaut worden, in den letzten beiden Spielen und die Moral der Mannschaft ist natürlich ein klein wenig gebrochen.
Doch sie sind noch nicht abgestiegen, sie sind jetzt in der Relegation und haben dadurch die Chance, im Augenblick schon fast Unmögliches zu schaffen.
Heimspiel, klar, im Ruhrstadion wird die Luft brennen gegen Fortuna Düsseldorf. Eine Mannschaft, die total im Flow ist, die ihre letzten neun Spiele in der Liga nicht verloren hat.
Gegen eine Mannschaft, den Gastgeber VfL Bochum, der natürlich irgendwo am Boden ist und sich sammeln muss, aber die Qualitäten zweifelsfrei hat, das Ding zu gewinnen.
In den letzten Jahren hat der Erstligist sich immer relativ deutlich und klar durchgesetzt. In diesem Jahr wird es eine absolute 50/50 Angelegenheit.
Spannender kann es nicht sein.
Meinen Glückwunsch persönlich an Mainz 05, die es geschafft haben, den rettenden Platz zu erreichen, und mit einem Sieg in Wolfsburg das ganze noch mal zu unterstreichen.
Was da abgelaufen ist, unter dem neuen dänischen Trainer, war einfach sensationell. Zusammenhalt wurde großgeschrieben. Von daher verdientermaßen.
Mainz 05 hat die Liga gehalten und der 1. FC Köln, von dem muss man sich verabschieden. So wie sie sich im Prinzip im letzten Spiel bei Heidenheim, übrigens Teilnehmer am internationalen Wettbewerb, präsentiert haben, hatte das mit Klassenerhalt und Kampf um den selbigen überhaupt nichts zu tun.
Traurig für diesen Verein, aber ich hoffe, dass der FC wieder aufsteht und wiederkommt.
Neururer über Bayern-Saison: “Eine einzige Katastrophe”
Die Bundesligasaison 23/24 wird mit Sicherheit auch in Zukunft noch für viel, viel, viel Gesprächsstoff sorgen.
Was Bayern München, der absolute Topfavorit, nach gefühlten einhundert Meisterschaften in Folge abgeliefert hat, ist einfach nur im Administrativen, wie auch im Sportlichen, eine einzige Katastrophe. Bayern München wird Tabellendritter, das muss man sich vorstellen.
Dass man gegen Leverkusen in diesem Jahr keine Chance hatte, hat mehrere Gründe. Aber ein wesentlicher Grund ist, dass Leverkusen einfach überragend durchgespielt hat und eine Moral gezeigt hat, eine fußballerische Qualität gezeigt hat und einen Willen gezeigt hat, wie es in der Bundesliga in den letzten Jahren kaum feststellbar war. Bayern München total enttäuschend.
Und jetzt komme ich zum Tabellenzweiten. Schier unglaublich, der VfB Stuttgart in der Champions League.
Vizemeister, dieser Titel zählt eigentlich gar nicht großartig, aber wenn man die Vergangenheit sieht, das letzte Jahr beim VfB Stuttgart sieht, als sie gerade mal in der Relegation durchgerutscht sind und den Relegationsplatz dann logischerweise umgemünzt haben, in eine unglaubliche Entwicklung.
Was Hoeneß und seine Mitarbeiter da veranstaltet haben beim VfB Stuttgart, ich ziehe meinen Hut. Einfach großartig.
Die restlichen internationalen Plätze mit Leipzig weiterhin versehen. Champions League ist vollkommen normal mittlerweile. Borussia Dortmund, eigentlich ganz großartig geschwächelt, Tabellenplatz fünf ist nicht den Ansprüchen von Borussia Dortmund gemäß.
Aber sie sind dabei in der Champions League. Sie haben ja auch die Möglichkeit noch, selber die Champions League zu gewinnen. All das im oberen Bereich, bis auf Stuttgart, ist eigentlich relativ normal gelaufen.
Der Abstiegskampf war brisant, aber ich finde, diese Saison hat ein eigenartiges Kennzeichen oder ein eigenartiges Merkmal.
Es sind acht, neun, zehn Mannschaften, die imstande waren, um die internationalen Plätze mitzuspielen. Alle anderen Mannschaften waren involviert in den Abstiegskampf. Unglaublich. Da kann man wirklich von einer Drei- oder Zwei-Klassengesellschaft sprechen. Das war die Kennzeichnung der gesamten Saison 2023/24.
Alles Gute, euer Peter Neururer.
Jeden Donnerstag – wöchentlich frisch auf den Tisch!
