Andreas Herzog im Interview: „Austria & Rapid nicht in den Top 3“
Veröffentlicht am 29. August 2023
Bild:Andreas Herzog ist von seinem Ex-Klub Rapid Wien noch nicht überzeugt. (© IMAGO / Daniel Scharinger)
Andreas Herzog über Salzburg-Konkurrenz, die Wiener Klubs & Christoph Freund
Lange war Andreas Herzog Rekord-Nationalspieler Österreichs und gilt bis heute als eine der größten Legenden des Landes – seit März 2023 ist er als Jürgen Klinsmanns Co-Trainer bei Südkorea im Amt.
In Deutschland wurde er vor allem bei Werder Bremen, aber auch dem FC Bayern bekannt. Seine zweitmeisten Spiele (201) absolvierte er aber für den SK Rapid Wien in seiner Heimat.
Die Wettfreunde haben den 54-Jährigen zum Interview gebeten. Andreas Herzog blickt auf die Saison voraus, wer RB Salzburg gefährlich werden kann und was für die beiden Wiener Klubs möglich ist.
Wettfreunde: Andreas Herzog, an diesem Freitag startet die österreichische Bundesliga 2023/2024. Erwarten Sie, dass Red Bull Salzburg zum 11. Mal in Folge Meister wird?
Andreas Herzog: „Für mich sind die Salzburger wieder der Favorit. Zwar haben sie wieder fünf oder sechs wichtiger Spieler verkauft, aber sie verfügen über eine sensationelle Scouting-Abteilung, weshalb der neue Kader wieder richtig gut aufgestellt ist.
Sehr gute junge Spieler wurden in den letzten Wochen verpflichtet. Nach ca. sechs Monaten Eingewöhnungszeit, werden sie richtig zünden und dann wird es für Salzburg erneut reichen um den Meistertitel zu verteidigen.“
Wettfreunde: Kann es jedoch wieder ein enges Meisterrennen werden, wie es bereits in der vergangenen Saison mit dem Zweikampf mit Sturm Graz der Fall war?
Herzog: „Tatsächlich war es letzte Saison zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder spannender. Heuer sehe ich den LASK sehr stark. Sie haben stark investiert und sie haben nun eine sehr gute Mannschaft.
Obwohl sie im Mai Dritter geworden sind, haben sie den Trainer gewechselt (Thomas Sageder beerbte Dietmar Kühbauer) und ca. neun neue Spieler geholt. Insofern werden sie sicherlich angreifen.“
Wettfreunde: Vor einem Jahr verkaufte Sturm Graz Stürmer Rasmus Hojlund zu Atalanta Bergamo. In diesem Sommer wurde Emanuel Emegha zu Racing Straßburg verkauft. Glauben Sie die Grazer erneut in der Lage, trotzdem um den Titel mitzuspielen?
Herzog: „Mit Szymon Wlodarczyk hat Sturm einen sehr guten jungen Stürmer unter Vertrag genommen. In meinen Augen ist er sogar ein Stück effizienter vor dem gegnerischen Tor als Emanuel Emegha.
Auch Sturm sollte man erneut auf der Rechnung haben.“
Hinweis: Das Interview wurde vor dem Abgang von Salzburg-Trainer Matthias Jaissle aufgenommen. Dieser steht vor einem Wechsel zu Al-Ahli!
Wettfreunde: Bei Salzburg fällt auf, nach den Abgängen von Noah Okafor (zum AC Mailand) und Junior Adamu (zum SC Freiburg), dass man im Sturm dünn besetzt ist. Könnte es in dieser neuen Spielzeit tatsächlich zum Problem für Trainer Matthias Jaissle werden?
Herzog: „Am meisten tut für mich der Abgang von Nicolas Seiwald (zu RB Leipzig) weh. Er kam aus dem eigenen Nachwuchs, er ist als Salzburger zum Nationalspieler geworden und jetzt muss man schauen, ob ihn Lucas Gourna-Douath vergessen machen kann.
Der Franzose hat bereits gezeigt, dass er ein sehr guter Spieler ist mit seiner Dynamik, aber er war auch immer wieder verletzt und konnte somit nicht oft sein ganzes Potenzial ausschöpfen. Er wird demnächst 20 und ich gehe davon aus, dass er sich durchsetzen wird.
Im Angriff muss man abwarten was passiert. Der Brasilianer Fernando ist sehr oft außer Gefecht. Ich bin überrascht, dass man mehrere Stürmer gehen ließ. In den letzten Jahren haben die Konkurrenten gehofft, dass die Neuen bei Salzburg vielleicht Probleme haben, aber Salzburg macht auf dem Transfermarkt sehr oft alles richtig.
Die Neuen bei RB brauchen nicht viel Zeit um sich anzupassen und sie gehen mit dem Druck sehr gut um.“
Andreas Herzog: „Austria gefestigter als Rapid“
Wettfreunde: Sind Sie überrascht, dass Matthias Jaissle immer noch der Trainer von Salzburg ist?
Andreas Herzog: „Ja, schon, weil normalerweise die Trainer von RB Salzburg nach einem oder zwei Jahren wieder gehen, weil sie umworben werden. Bei Jaissle war es so, dass er ebenfalls von diversen Klubs kontaktiert wurde, aber er wollte nicht weg.
Für mich ist es für die Mannschaft ein Vorteil, dass er bleibt, weil wenn man viele Spieler verliert und dazu einen neuen Coach hat, der sich erst anpassen muss, dann ist die Herausforderung noch ein Stück schwerer. In der Vergangenheit hat man einfach den Trainer des FC Liefering als Nummer eins in Salzburg installiert.
In diesem Jahr hat man sich aber von dem Coach der 2. Mannschaft (Fabio Ingolitsch) getrennt.“
Wettfreunde: Tut der Abgang von Christoph Freund Richtung Bayern München den Salzburgern richtig weh?
Herzog: „Durch diese Personalie werden die kommenden Monate bei Salzburg richtig spannend. Freund hat über all die Jahre einen super Job gemacht: Stets war er ruhig, immer trotzdem souverän und auch verständnisvoll.
Wenn es nicht so rund gelaufen ist, hat er immer die richtigen Wörter gewählt um die Mannschaft zu motivieren und zu pushen, oder mal wach zu rütteln. Er hat definitiv einen ausgezeichneten Job gemacht. Sein Nachfolger Bernhard Seonbuchner muss sich beweisen.
Als damals Freund den Ralf Rangnick beerbt hat, hatte man sich ja gefragt ob dieser junge Österreicher die nötige Qualität und Persönlichkeit hat um die Erwartungen zu erfüllen. Im Nachhinein hat er es super gemacht.“
Wettfreunde: Was erwarten Sie konkret in dieser neuen Spielzeit von den beiden Wiener Klubs, der Austria und Rapid?
Herzog: „Ich sehe beide Teams nicht gut genug aufgerüstet, um im Meisterrennen ein Wort mitzureden. Momentan sehe ich gar die Austria ein bisschen gefestigter als Mannschaft. Aber sie haben 60 Millionen Euro Schulden und das ist eine große Hürde.
Rapid ist nach wie vor der größte Verein Österreichs und da ist immer der Druck, dass man erfolgreich sein muss. Ein neues Präsidium, ein neuer Präsident und ein neuer Sportdirektor sind nun gekommen. Vor zwei Monaten hat geheißen, dass Geld kommt und dass neue Spieler gekauft werden können. Aber bis heute ist gar nichts passiert.
Die Fans werden langsam unruhig. Ich gehe also davon aus, dass sowohl die Austria als auch Rapid unter den ersten Sechs kommen und in den Playoffs dabei sein werden, aber nicht unter den ersten Drei.“
Wettfreunde: Gilt Aufsteiger Blau Weiß Linz als Abstiegskandidat Nummer eins?
Herzog: „Oft hat der Aufsteiger in den letzten Jahren eine Riesen-Euphorie entfacht und den Klassenerhalt geschafft. Zum Beispiel war Austria Lustenau in der vergangenen Spielzeit richtig gut. Vor zwei Jahren war Klagenfurt ziemlich stark.
Deswegen traue ich BW Linz den Klassenerhalt zu. Sollten sie übrigens die ersten Liga-Spiele verlieren, ist die Aufstiegseuphorie schnell wieder weg.“
Das Interview wurde geführt von Alexis Menuge.